DSC 0036 Foto: Roswitha Dorfner

Stiftspfarrkirche St. Philippus und Jakobus

Die Stift­s­pfarr­kir­che St. Phil­ip­pus und Jako­bus zählt zu den geschichts­reichs­ten Got­tes­häu­sern Bay­erns. Ihre Ursprün­ge rei­chen zurück in die Zeit der Karo­lin­ger. Es ist wohl der vier­te Kir­chen­bau an die­ser Stel­le. Bei den jüngs­ten archäo­lo­gi­schen Gra­bun­gen inner­halb die­ser Kir­che wur­de der Grund­riss der karo­lin­gi­schen Pfalz- und Stifts­ba­si­li­ka frei­ge­legt, erbaut im Jahr 876 durch König Karl­mann. Das Stift selbst war dem Ungarn­sturm nach 907 zum Opfer gefal­len. Die archäo­lo­gi­schen Gra­bun­gen för­der­ten auch Tei­le einer Basi­li­ka aus otto­ni­scher Zeit zuta­ge, die wohl um das Jahr 1000 errich­tet wur­de. Tei­le die­ser otto­ni­schen Basi­li­ka wur­den in die roma­ni­sche Basi­li­ka über­nom­men, die der Bay­ern­her­zog Lud­wig der Kel­hei­mer”, ver­bun­den mit der Wie­der­grün­dung des Stif­tes, 1228/31 hat­te errich­ten las­sen. Die­se roma­ni­sche Basi­li­ka hat­te Bestand, bis sie an der Wen­de vom 15. zum 16. Jahr­hun­dert auf­grund der 1489 auf­ge­bro­che­nen Wall­fahrt zu Unse­rer Lie­ben Frau von Alt­öt­ting zu klein gewor­den war. Zwi­schen 1499 und 1511 ent­stand an die­ser Stel­le der heu­ti­ge, spät­go­ti­sche Bau, bezahlt aus den Mit­teln der Hl. Kapel­le und Spen­den der Pil­ger. Sie war die letz­te goti­sche Hal­len­kir­che Süd­deutsch­lands. Bau­meis­ter war Jörg Per­ger, einer der letz­ten bedeu­ten­den Meis­ter der Burg­hau­ser Schu­le”. Der Bau misst (innen) in der Län­ge 48,5 m, in der Brei­te 18,5 m. Der Gewöl­be­schei­tel liegt ca. 12 Meter über dem Boden der Kir­che. Das mar­kan­te äußer­li­che Cha­rak­te­ris­ti­kum der Kir­che ist das mit spit­zen, kup­fer­ge­deck­ten Hel­men gekrön­te Tür­me­paar mit 57 m Höhe.

Als Stifts‑, Wall­fahrts- und Pfarr­kir­che war St. Phil­ip­pus und Jako­bus mit sei­ner Innen­ein­rich­tung und der künst­le­ri­schen Aus­ge­stal­tung dem Wan­del des Zeit­ge­schmacks und Ände­run­gen der Lit­ur­gie im Lau­fe eines hal­ben Jahr­tau­sends unter­wor­fen. Von der ursprüng­li­chen Ein­rich­tung aus der Erbau­ungs­zeit sind nur noch die aus Eichen­holz geschnitz­ten Por­ta­le (Nord- und Süd­por­tal) erhal­ten, deren in Plas­tik und Hoch­re­li­ef aus­ge­führ­tes Bild­pro­gramm das ers­te Auf­schei­nen der Renais­sance-Skulp­tur in Alt­bay­ern mar­kiert (Meis­ter Mat­thä­us Kri­nis aus Mühl­dorf). Hin­zu kom­men das über­le­bens­gro­ße Kru­zi­fix an der Nord­wand, das der Lands­hu­ter Lein­ber­ger-Schu­le zuge­schrie­ben wird, sowie eini­ge Epi­ta­phien an der Nord- und Süd­wand. Meh­re­re Reno­vie­run­gen im Lau­fe der Jahr­hun­der­te, zuletzt eine tief­grei­fen­de an der Wen­de vom 18. zum 19. Jahr­hun­dert, haben lei­der kost­ba­re Kunst­schät­ze aus der Zeit der Roma­nik, der Gotik, der Renais­sance und des Barock unwie­der­bring­lich zer­stört, dar­un­ter die kost­ba­ren goti­schen Glas­ma­le­rei­en der Fens­ter, das Chor­ge­stühl der Erst­aus­stat­tung, geschaf­fen von dem­sel­ben Meis­ter, dem wir auch die Por­ta­le ver­dan­ken, und das roma­ni­sche Hoch­grab des Karo­lin­ger­kö­nigs Karl­mann (das jedoch nie belegt war).

Erhal­ten geblie­ben sind vor allem das roma­ni­sche West­werk” mit dem roma­ni­schen West­por­tal, der Orgel­pro­spekt, den wir teil­wei­se dem Früh­ba­rock, teil­wei­se dem Roko­ko ver­dan­ken, und neben dem Nord­por­tal die als Tod von Eding” in ganz Bay­ern bekann­te, etwa sie­ben Meter hohe Kas­ten­uhr, auf der der Sen­sen­mann im Takt der Zeit mäht. Sie stammt aus der Pest­zeit des 17. Jahr­hun­derts. Aus der Zeit um 1800 stam­men der klas­si­zis­ti­sche Hoch­al­tar (Gemäl­de Maria, Hel­fe­rin der Not Lei­den­den“ des Mün­che­ner kurf. Gale­rie­di­rek­tors Joh. Jak. Dor­ner d. Ä.- baro­cke Figu­ren des hl. Sebas­ti­an und des hl. Ruper­tus), das klas­si­zis­ti­sche Chor­ge­stühl des Trost­ber­ger Bild­hau­ers Joseph Bene­dikt Kap­fer mit geschnitz­ten Reli­ef­me­dail­lons von Sze­nen aus der Geschich­te Alt­öt­tings, des Stif­tes und der Wall­fahrt, sowie die bei­den vor­de­ren Sei­ten­al­tar­paa­re. Bei­de Altar-Paa­re sind im Jah­re 1793 ent­stan­den. An ihnen wird der Umbruch vom Roko­ko zum Klas­si­zis­mus deut­lich. Wäh­rend das ers­te (links: St. Johann Nepo­muk, rechts: St. Flo­ri­an) in sei­nem Auf­bau (Josef Dopp­ler, Salz­burg) und sei­nen Plas­ti­ken (Chris­ti­an Jor­han, Joseph Bene­dikt Kap­fer) noch ganz den Geist des Roko­ko atmet, prä­sen­tiert sich das zwei­te (links: letz­tes Abend­mahl, rechts: Hoch­zeit zu Kana) in Auf­bau­ten (Micha­el Mattheo, Anton Aigen­herr) und Plas­ti­ken (je zwei Evan­ge­lis­ten, Roman Anton Boos) in reins­tem Klas­si­zis­mus. Die Auf­bau­ten des drit­ten Sei­ten­al­tar-Paa­res im Stil der Neo-Renais­sance (Micha­el Kurz) stam­men aus dem Jahr 1917, die Gemäl­de (links: hl. Drei­fal­tig­keit, Jaco­po Zanusi; rechts: eine Grup­pe männ­li­cher und weib­li­cher Hei­li­ger, Johann Zick) von nicht mehr bestehen­den Rokoko-Altären. 

Der Kreuzgang und seine Kapellen

Bereits aus der Zeit des roma­ni­schen Kir­chen­bau­es stam­men die Anla­ge und ein Teil der Krag­stei­ne des süd­lich der Kir­che gele­ge­nen Kreuz­gan­ges. Um 1420 wur­de der Kreuz­gang goti­siert. Er weist im süd­li­chen Flü­gel und an der nord­öst­li­chen Ecke inter­es­san­te Gemäl­de des 15. Jahr­hun­derts in den Gewöl­be­seg­men­ten auf. Sehens­wert sind die vier Kapel­len am Kreuz­gang. Die ältes­te, die soge­nann­te Til­ly-Kapel­le, steht im Süd­os­ten. Ursprüng­li­ches Patro­zi­ni­um ist St. Peter, was auf ein hohes Alter hin­weist. Die heu­ti­ge goti­sche Kapel­le stammt aus dem frü­hen 15. Jahr­hun­dert und hat­te eine Vor­gän­ge­rin. Mög­li­cher­wei­se han­delt es sich hier um die eins­ti­ge Pfarr­kir­che (im Gegen­satz zur Stifts­kir­che). Inter­es­san­te Glas­ge­mäl­de im Süd­ost­fens­ter und beach­tens­wer­te Wand­ge­mäl­de zie­ren die Kir­che. Im 17. Jahr­hun­dert erhielt die Fami­lie Til­ly die Kapel­le als Begräb­nis­stät­te. In der Gruft ruhen in Metall-Sar­ko­pha­gen die sterb­li­chen Über­res­te des gro­ßen Feld­herrn Johann Tse­r­claes von Til­ly und wei­te­rer Ange­hö­ri­ger der Fami­lie. Eine plas­ti­sche Dar­stel­lung Til­lys kniend unter einem Kreuz zeigt der Altar von Hans Pern­eg­ger, Salz­burg (1643). Nörd­lich über der Til­ly­ka­pel­le im Ober­ge­schoss befin­det sich die Sie­ben-Schmer­zen-Kapel­le mit meh­re­ren sehens­wer­ten spät­go­ti­schen Tafel­ge­mäl­den. Im Nord­flü­gel des Kreuz­gan­ges gegen­über dem Süd­por­tal der Kir­che dann die baro­cke Sebas­tia­nika­pel­le, 1681 von Chris­to­fo­ro Dome­ni­co Zuc­ca­li an der Stel­le einer abge­bro­che­nen goti­schen Vor­gän­ge­rin erbaut. Der Altar wur­de um 1690 mit einer plas­ti­schen Grup­pe der Pfle­ge des hl. Sebas­ti­an” von dem Mün­che­ner Hof­bild­hau­er Andre­as Fais­ten­ber­ger errich­tet. Unter der Kapel­le fin­det man die 1932 erbau­te Gruft der Stifts­ka­no­ni­ker, in der Nord-Ost-Ecke des Kreuz­gan­ges die neu­zeit­li­che Rast­ka­pel­le, die ihren Namen der auf dem Altar ste­hen­den Dar­stel­lung des Chris­tus in der Rast” ver­dankt. Die schlich­te Kapel­le wur­de 1959 über der Stel­le erbaut, an der am 28. April 1945 fünf Alt­öt­tin­ger Bür­ger von der SS ermor­det wurden.